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Familie und Beziehungen - Gesellschaftsdruck, Rollenverständnis, Frauen Was es heute bedeutet eine Frau zu sein

Täglich lastet der gesellschaftliche Druck auf den Schultern einer Frau. Diskriminierungen aufgrund des Geschlechts und der verankerten Rollenbilder gehören auch in Deutschland noch immer zum Alltag. Doch wie ist es wirklich eine Frau zu sein und welche Barrieren gilt es jetzt zu brechen?

Frauen müssen sich auch heute noch klar positionieren und ihrem Geschlecht eine Stimme geben, um Gleichstellung zu erfahren. (Quelle: shutterstock)

„Dein Rock ist zu kurz. Zeig nicht so viel Haut. Entferne deine Körperbehaarung. Verstecke deine Dehnungsstreifen. Sei sexy. Sei natürlich. Sei eine Lady, haben sie gesagt.“

Cynthia Nixon in „Be a Lady they said“

Die Worte, die ursprünglich aus dem Gedicht der Autorin Camille Rainville stammen, gingen vor knapp einem Jahr durch die Rezitation der Schauspielerin Cynthia Nixon in einem Werbevideo viral. Das Video zeigt den tief verankerten Sexismus in unserer Gesellschaft und wie er oft unterschwellig vermittelt wird. Es ist eine Ansammlung vieler widersprüchlicher Ansprüche, die die Gesellschaft noch immer an uns Frauen stellt. Die Liste der Erwartungen ist lang und die meisten von uns haben viele der Sätze bestimmt schon zu hören bekommen. Die Rollenbilder, die in unserer Gesellschaft noch immer stark verankert sind, führen nicht nur dazu, wie Frau sich im Alltag verhält, sondern auch wie Mann denkt, mit ihnen umgehen zu dürfen.

Frauen als sexuell verfügbare Objekte

Diskriminierung und Belästigung aufgrund des Geschlechts gehören bei den meisten Frauen schon zum Alltag.   Wie tief die Formen der Diskriminierung und Frauenverachtung gesellschaftlich wirklich verankert sind, zeigen die vielfältigen Arten von Gewalt, der Mädchen und Frauen früher wie auch heute noch ausgesetzt sind.   Darunter fallen anzügliche, sexistische und grenzüberschreitende Kommentare, sexuelle Nötigung oder sogar Vergewaltigung.

Laut der Polizeilichen Kriminalstatistik des Bundeskriminalamts wurden im Jahr 2019 insgesamt 9526 Personen Opfer von versuchter oder ausgeführter Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Übergriffe, davon sind 94 Prozent der Opfer weiblich. Die Dunkelziffer jedoch ist weitaus höher und zeigt, dass jede dritte Frau in Deutschland mindestens einmal in ihrem Leben von Gewalt betroffen ist. Das sind statistisch gesehen mehr als zwölf Millionen Frauen. Die Zahlen zeigen, dass wir alle in unserem direkten Umfeld Frauen kennen, die betroffen sind. Denn sexuelle Gewalt und Belästigung kann überall und zu jeder Zeit stattfinden. Egal ob bei der Arbeit, in der Schule, in Bussen und Bahnen oder im eigenen Heim. Die verschiedenen Arten sexueller Belästigung sind schon so alltäglich geworden, dass viele sie inzwischen normalisieren und als „typisch männliches Verhalten“ abstempeln. Im Gegenzug wird von der Frau erwartet, dass sie sich entsprechend verhält und anpasst, damit derartige Vorfälle nicht passieren.

„Lass dich nicht vergewaltigen.  Trink nicht zu viel. Lauf nicht allein rum. Geh nicht zu spät aus. Zieh dich nicht so an. […] Sag nicht „ja“. Sag nicht „nein“.“

Cynthia Nixon in „Be a Lady they said“

Catcalling ≠ Kompliment

Viele Frauen haben in ihrem Leben schon mehr als einmal Catcalling erlebt. Sexistische Sprüche oder Laute gehören zum Alltag. Die sogenannten „Catcalls“ sollten aber niemals mit Komplimenten verwechselt werden, denn mit Wertschätzung und gegenseitigem Respekt haben sie in keiner Weise etwas zu tun. Als Catcalling bezeichnet man eine Form der verbalen sexuellen Belästigung von (meist) Fremden im öffentlichen Raum. Die Opfer werden hierbei als Objekte der Begierde wahrgenommen und durch derartige Äußerungen und der vermeintlichen männlichen Dominanz und Überlegenheit herabgewürdigt. In Ländern wie Belgien, Portugal, den Niederlanden oder Frankreich ist die Art von sexueller Belästigung bereits strafbar. In Deutschland hingegen reicht es nicht aus, wenn sich die Frau einfach nur unwohl oder respektlos behandelt fühlt. Catcalling kann hierzulande nur gesetzlich verfolgt werden, wenn eine Beleidigung oder eine Berührung in sexuell bestimmter Weise damit einhergeht.

„Erst in dem Moment, wo es strafbar wird, wird bewusst, dass es nicht in Ordnung ist.“

Marion Lenz - Gleichstellungsbeauftragte

AktivistInnen fordern ein Gesetz gegen verbale, sexuelle Belästigung und wollen mit der Bewegung „Chalckback“ auf Catcalling aufmerksam machen. In über 150 Städten weltweit schreiben sie Erlebnisse sexueller Belästigung mit Kreide auf die Straßen und sagen Catcalling so den Kampf an. Unter dem Motto: „Es ist 2020. Catcalling sollte strafbar sein“ startete die 20-jährige Studentin Antonia Quell eine Petition und sammelte insgesamt 69.443 Unterschriften. Diese liegt nun dem Bundestag zur Beratung vor. Der Studentin geht es mehr um den Wandel des Bewusstseins in der Gesellschaft als um Geldstrafen. Auch Nicht-Betroffene müssen die Form der Belästigung als Problem anerkennen, um dagegen zu wirken.

Denn Catcalling ist in der Gesellschaft schon so akzeptiert, dass die meisten Opfer diese Art von Erfahrungen einfach versuchen zu verdrängen. Es darf aber nicht vergessen werden, dass Catcalling auch eine Form der sexuellen Belästigung ist und nicht ignoriert werden sollte. Solange den Männern weiterhin aufgezeigt wird, dass ein derartiges Verhalten in Ordnung sei, fühlen sich die Frauen vor allem in öffentlichen Räumen nicht mehr ausreichend geschützt.

Junge Frauen werden in den deutschen Großstädten täglich sexuell belästigt, verfolgt, bedroht und beleidigt. Das zeigt eine Online-Befragung des Kinderhilfswerks Plan. In der Umfrage wurden 983 Personen aus den vier untersuchten Großstädten Berlin, Hamburg, Köln und München befragt, wie sicher und geschützt sie sich in ihrer Stadt fühlen. Die Ergebnisse zeigen, dass sich keine der befragten Frauen in ihrer Stadt vollkommen sicher fühlt. Aber auch in kleineren Städten ist die Unsicherheit in öffentlichen Räumen groß.

Was also bedeutet es, heute eine Frau zu sein? Neben vielen anderen Dingen bedeutet es, täglich dem Druck ausgesetzt zu sein, man müsse den unrealistischen Anforderungen der Gesellschaft gerecht werden. Es bedeutet, schon von Kindheit an Ratschläge zu bekommen, wie der Alltag am besten zu überstehen sei. Es bedeutet, dass sexistische Erfahrungen und die bloße Angst, überhaupt solch eine Erfahrung machen zu müssen, dazu führen, dass nicht jeder Ort ein Sicherheitsgefühl vermittelt.

Die tief verankerten Geschlechterrollenbilder müssen verändert werden. Den Jungen und Männern muss deutlich gemacht werden, dass es eben nicht in Ordnung ist, Frauen zu belästigen und sie als Objekte wahrzunehmen. Eins ist dabei klar: Der Weg zu einer nachhaltigen Veränderung ist noch lang.