Die Vermüllung der Meere ist eines der größten Probleme für die Natur. Jedes Jahr werden mehr als 300 Millionen Tonnen Kunststoff hergestellt, davon landen etwa fünf bis zwölf Millionen Tonnen pro Jahr im Meer. „Grobe Schätzungen gehen von 86 bis 150 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren aus, die sich dort seit dem Jahr 1950 angesammelt haben“, erklärt Martin Bäumer, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion in Niedersachsen. Stefan Wenzel, von den Grünen sagt: „Auf dem Meeresboden der Nordsee liegen schätzungsweise 600.000 Kubikmeter Müll.“ Das ist eine Menge, mit der man zweimal die Allianz Arena in München befüllen könnte. „Fast drei Viertel dieses Abfalls besteht aus Plastik.“ Greenpeace zufolge liegt der Plastikverbrauch eines Einzelnen in Westeuropa bei 136 Kilogramm jährlich. Diese Zahl ist dreimal so hoch wie die des weltweiten Durchschnitts.
Stefan Wenzel erklärt, dass jährlich knapp drei Milliarden Einwegbecher verbraucht werden. Wenn die Gesellschaft nichts an ihrem Konsumverhalten ändert, könne sich die Menge der Plastikabfälle, die jedes Jahr ins Meer gelangt, laut Angaben des NABU bis ins Jahr 2025 verzehnfachen. Wir leben in einer Gesellschaft, welche die natürlichen Ressourcen nicht nachhaltig nutzt. „Das heißt, wir verbrauchen mehr Rohstoffe, als nachwachsen können. Unsere Wegwerfgesellschaft lebt über ihre Verhältnisse“, sagt Stefan Körner, Landesvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen in Niedersachsen.
Bereits Anfang August ist das Jahrespensum Rohstoffe erreicht
Der sogenannte „Erdüberlastungstag“ ist der Tag im Jahr, an dem die Grenze des zulässigen Rohstoffverbrauchs erreicht ist, um einen nachhaltigen, also für die Umwelt langfristig verträglichen Ressourceneinsatz zu gewährleisten, erklärt Körner. Er fügt hinzu: „Dieser Tag lag im Jahr 2017 am 2. August und er rückt jedes Jahr weiter nach vorne.“ 2018 ist der Stichtag bereits am 1. August erreicht.
Die Produkte der Wegwerfgesellschaft finden sich nicht mehr nur als verschandelndes Element in der Landschaft, sondern auch in unseren Pflanzen und Tieren. „Die Aufnahme von Plastikpartikeln oder anderen unnatürlichen Stoffen lässt sich für jeden einzelnen Menschen kaum noch vermeiden“, sagt Bäumer. „Die früher unberührte Natur hat durch den zunehmenden Müll ihre Unschuld verloren. Wo früher noch Porzellangeschirr im Vordergrund stand, greift man heute gerne zu Einweggeschirr. Die explosionsartige Zunahme der Coffee-To-Go-Becher spricht eine deutliche Sprache.“
Martin Bäumer erklärt, dass niemand bisher voraussagen kann, was in Menschen und Tieren durch die Aufnahme von Plastikpartikeln ausgelöst wird. Im schlimmsten Fall kann dies zu heute noch völlig unbekannten Krankheiten führen. Tiere nehmen das Plastik auf und landet somit doch wieder auf unseren Tellern. Klar ist auch, dass dutzende Tiere am Plastik verenden. „Jährlich sterben eine Million Seevögel und mehr als 130.000 Meeressäugetiere an den Folgen von Plastik“, sagt Kim Detloff vom NABU. Die zunehmende, starke Verschmutzung der Meere führe dazu, dass Tiere sterben und letztendlich in ihrem Bestand gefährdet seien, erklärt Stefan Körner. Tiere können sich in größeren Plastikteilen verfangen und daran sterben. Nicht zu vergessen ist selbstverständlich auch ein finanzieller Aspekt. Auch Strandreinigungen und der Verlust von Touristen an Urlaubsorten sind Folgen des Mülls.
Ein universelles Problem – was tut Niedersachsen?
Das Problem von Plastik im Meer ist ein länderübergreifendes Problem, welches Niedersachsen nicht im Alleingang lösen kann. „Das Land Niedersachsen unterstützt die Forschung zu diesem Thema, informiert über die Gefahren durch Plastikmüll im Meer und unterstützt die Abfallsammelaktion von Küstenfischern und Verbänden unter dem Titel ‚Fishing for Litter’“, berichtet Stefan Körner. Stefan Wenzel setzt auf Aufklärung: „Um die Bevölkerung für das Problem zu sensibilisieren, führen wir die Aufklärungskampagne ‚Kein Müll ins Meer!’ durch.“ Ebenfalls setzt sich Niedersachsen für die Verringerung der Einweggetränkebecher ein. „Wir fordern ein effizientes, bürgernahes und ökologisches Wertstoffgesetz, das ein hochwertiges Recycling ermöglicht“, sagt Wenzel.
Aber wie kann jeder darauf achten, dass der Plastikmüll reduziert wird? Es beginnt an den einfachsten Stellen. Der morgendliche Kaffee aus dem Coffee-To-Go-Becher sollte durch einen Mehrwegbecher und die Tüten aus dem Supermarkt durch praktische Stofftaschen ersetzt werden. Kosmetik, die Mikroplastik enthält, sollte grundsätzlich vermieden werden und tatsächlich muss nicht jedes Lebensmittel einzeln verpackt sein. In vielen Städten bilden sich derzeit Läden, in denen man schnell und einfach Lebensmittel kaufen kann, die nicht noch extra verpackt sind. „Jeder von uns ist aufgerufen, seinen Beitrag zum Plastikmüll kritisch zu hinterfragen“, sagt Bäumer von der CDU. Letztendlich meint Wenzel: „Der beste Abfall ist der, der gar nicht entsteht. Wenn jeder Mensch sein Konsumverhalten ein wenig bewusster gestaltet, kann sehr viel bewegt werden!“
Mancher Kunststoffeinsatz ist unersetzlich
„Als Kunststofferzeuger kann die Aufgabe natürlich nicht lauten, Kunststoff zu ersetzen“, sagt Sven Weihe von PlasticsEurope. Kunststoff sei schon heute ein sehr nachhaltiger Werkstoff, der auf vielfältige Weise am Ende seines Lebensweges wiederverwertet werden kann. Die Verbände seien gerade dabei, die Rohstoffbasis zu erweitern, zum Beispiel Kunststoff aus CO2 oder nachwachsenden Rohstoffen, erläutert Weihe. Nicht alles, was mit Kunststoff zu tun hat, ist an negative Folgen geknüpft. „Kunststoff ist in Windenergierädern unersetzlich und macht Autos leichter, um die anspruchsvollen Schadstoffgrenzwerte der Behörden einzuhalten“, erklärt Weihe.
Der Verband PlasticsEurope hat eine klare Forderung an die Politik: „Für das Ziel einer geordneten und effektiv funktionierenden Entsorgung von Abfällen ist ein wirksamer Vollzug des vorhandenen Abfallrechtes durch die Verwaltung entscheidend, denn erst der Dreiklang aus effektiven Entsorgungsinfrastrukturen, Aufklärung und Information der Verbraucher sowie Vollzug der gesetzlichen Regelungen sorgt für eine ordnungsgemäße und effektive Abfallentsorgung.“
Martin Bäumer sagt: „Aufgrund des heutigen Zustands wird unsere Welt in zwanzig Jahren leider noch mehr mit Plastikmüll zu kämpfen haben.“ Er bleibt aber dennoch optimistisch. Die zunehmende Knappheit von Ressourcen werde den Plastikmüll in den nächsten fünfzig Jahren zu einem Rohstoff machen, der nicht mehr achtlos in die Landschaft geworfen werde, sondern aus finanziellen Gründen aktiv aus der Landschaft entfernt wird, erklärt er.
„Wir haben viel Nachholbedarf“
„Fakt ist, dass wir beim Umgang mit Kunststoffmüll in vielen Teilen der Erde noch Nachholbedarf haben, der aber durch gezieltes Wissensmanagement aufgeholt werden kann“, erklärt Sven Weihe. Stefan Körner sagt, dass auch die Unternehmen gefragt seien. „In der Zukunft sollte bei der Herstellung von Produkten der gesamte Produktzyklus bedacht werden. Soll heißen: Alle verwendeten Materialien sollten später entweder recycelt werden oder sich ohne schädliche Rückstände auflösen können.“ Auch Kim Detloff verliert seinen Optimismus nicht: „Es gibt so viele Stellschrauben, etwas zu verändern. Die Vermüllung der Meere ist ganz oben in der gesellschaftspolitischen Debatte angekommen.“ Bernhard Bauske macht die Situation ebenso deutlich: „Wenn diese Entwicklung so weitergeht, wird es in den Meeren im Jahr 2050 so viel Plastik geben wie Fisch.“
Es ist eine unvorstellbare Dimension an Plastik, welches sich bereits in der Natur befindet. Auch steht fest, dass das Meer wohl nie wieder plastikfrei wird, man könne nur dafür sorgen, dass der Anteil des Plastiks reduziert wird. „Es ist fünf vor zwölf. Es wird eine Generationsaufgabe, das Plastik in den Meeren zu reduzieren“, erklärt Detloff, „aber ich bin überzeugt, dass wir das Problem noch in den Griff kriegen können.“ Es sei also noch möglich, den Anteil zu reduzieren. Dafür müsse allerdings jeder Einzelne mithelfen, erläutert Detloff und fügt hinzu: „Denn nur gemeinsam verändern wir die Welt!“
