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Meinung und Haltung - Stereotype Was Männer wollen

Schlank und kurvig, sexy und geistreich, cool und schüchtern sollen sie sein. Der Perfektionsdruck von Frauenmagazinen und Instagram lastet schwer auf den Schultern junger Frauen. Doch eigentlich kommt es auf etwas anderes an.

Hat eine Frau perfekt zu sein, um als Traumfrau der Männer zu gelten? (Quelle: iStock/Stonepic)

Panik vor einem ersten Date kennt wohl jede Frau. Auch ich stehe ratlos vor dem Spiegel und frage mich: „Was zur Hölle wollen diese Männer denn nur?“ Cosmopolitian und Co. vermitteln mir den Eindruck, fünfzig Eigenschaften gleichzeitig erfüllen zu müssen. Sei witzig, sexy, geistreich, interessiert, cool, natürlich, süß, verlegen, dabei aber selbstbewusst, lässig und unnahbar, sportlich, natürlich unbedingt schlank, aber trotzdem kurvig und noch vieles mehr! Nimm dir was du willst und ergreife die Initiative, aber lass ihn dabei zappeln, schließlich bist du nicht irgendwer. Sei Liebhaberin und Mutti zugleich. Aber vergiss nicht, dich dabei selbst zu lieben. Dann bist du unwiderstehlich. Wer also keine multiple Persönlichkeitsstörung hat, scheint in der Männerwelt verloren zu sein.

Die perfekte Frau – ist es Amal Clooney, die wunderschön, reich und hochgebildet ist und als erfolgreiche Menschenrechtsanwältin auch noch den Planeten retten will? Angela Merkel ist doch auch gebildet, erfolgreich und mächtig, doch der wahrgewordene Männertraum scheint sie nicht zu sein. Dann vielleicht doch eher eine Kim Kardashian, die nicht unbedingt als Intelligenzbestie auf sich aufmerksam macht, dafür aber ihre umso größeren Kurven inszeniert. Was ist es also, was Männer wollen? Kann man diese Frage überhaupt exakt beantworten?

Letztere Frage beantwortet der Soziologe Christian Raupach mit einem Nein. Eine Gruppe von Menschen weise zwar immer Gemeinsamkeiten auf, doch gebe es sehr viel mehr Unterschiede, weswegen man sich bei einem Date nicht die Frage „Was wollen Männer?“, sondern „Was will dieser Mann?“ stellen sollte. Dennoch gibt es gemeinsamen Konsens darüber, was nun attraktiv ist und was nicht. Amal Clooney scheint gegenüber Angela Merkel mehr Hits auf der Kriterienliste der Traumfrau zu erhalten.

Schamesröte in Männerrunden


Einen Erklärungsansatz liefert die Sozialwissenschaft: Geschlecht agiert als „Platzeinweiser“, der genau bestimmt, was die Frau definiert und was den Mann. Die Differenzierung nach Mann oder Frau strukturiert unsere Gesellschaft maßgeblich. Wir nehmen Männer und Frauen nur als so unterschiedlich wahr, weil die Gesellschaft Mann und Frau unterschiedlich macht. Dass Männer prinzipiell eher Bier als Sekt trinken oder Frauen eher „Schöner Wohnen“ als die „Autobild“ lesen, ist keineswegs biologisch verankert, sondern wird uns von der Gesellschaft vorgelebt, sodass wir Interessen und Verhaltensweisen übernehmen und als natürlich empfinden. So inszenieren wir uns als Mann oder Frau und werden zu Teilen der Gesellschaft. Daraus folgen dann natürlich auch gewisse Erwartungen an das andere Geschlecht. Eine Frau, die American Football spielt, Holzfällerhemden trägt und den ganzen Tag nur über Autos redet, wird demnach als weniger weiblich und letztlich als weniger attraktiv wahrgenommen.

Wenn man sich als Frau mal in eine ausgelassene Männerrunde setzt, die währenddessen auch noch das ein oder andere Bier hebt, wird einem die schonungslose und brutale Wahrheit der Männerwelt präsentiert, die einem die Schamesröte ins Gesicht treibt. Sprüche wie „dumm fickt gut“ lassen einen da schon mal schlucken. Doch wenn es dann um die großen Gefühle geht, wird der oberflächliche Möchtegern-Macho zu einem wahren Romantiker, dem Charakter und Intellekt viel wichtiger sind als die perfekten 90/60/90-Maße. Doch eine intelligente Frau mag nur in der Vorstellung attraktiv sein. Tatsächlich fühlen sich Männer eher bedroht und weisen intelligente Frauen von sich, sagt eine Studie der „University at Buffalo“ und der „UC Davis“. Dieses Phänomen hängt mit unserer patriarchalen Gesellschaftsstruktur zusammen, in der Männer als das mächtige Geschlecht wahrgenommen werden. Ist ein Mann mit einer intellektuell überlegenen Frau zusammen, mindert das seine Machtposition und er wird von der Gesellschaft als weniger männlich wahrgenommen – das trauen sich viele nicht zu.

Geschmäcker sind verschieden und es gibt kein Rezept für die perfekte Frau. Zum Glück! Wenn man den redseligen Männern so zuhört, wie sie über ihre Traumfrauen nachdenken, läuft es immer auf das gleiche hinaus: Es muss eben einfach passen. Ist sie wunderschön, aber charakterlich eine absolute Katastrophe, passt es halt nicht. Ist sie hässlich wie die Nacht, aber man versteht sich blendend, passt es halt leider auch nicht. Die berühmte Chemie muss einfach stimmen und darüber entscheidet nicht das perfekte Outfit oder die perfekten Proportionen.

Dennoch fühle ich mich unter Druck gesetzt, einem Ideal zu entsprechen, dass ich nicht erreichen kann. Schlank soll ich sein und mich bloß gesund ernähren, aber für die richtigen Rundungen an den richtigen Körperstellen ist Sport unumgänglich, um mich dann mit Victoria‘s Secret-Models vergleichen zu können. Die männerdominierten Medien unserer Gesellschaft vermitteln dieses Frauenbild, an dem sich Frauen tagtäglich messen. Ehrlich gesagt ist es doch ziemlich schwachsinnig, sich in ein Korsett aus Männerfantasien zu spannen, in das man letztlich doch nicht passt. Dann ist auch die Frage, was Männer eigentlich wollen, ziemlich schwachsinnig. Viel wichtiger ist es doch zu wissen, was ich selbst eigentlich will.