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Sport und Gesundheit - ADHS, Diagnose, Krankheit Chaos im Kopf – Leben mit ADHS

ADHS zählt zu einer der häufigsten psychischen Auffälligkeiten. Viele Menschen assoziieren mit der Verhaltensstörung ein hyperaktives, unaufmerksames Kind. Doch hinter ADHS verbirgt sich oft mehr als viele denken.

Menschen mit ADHS haben in ihrem Alltag oft Probleme (Illustration: Mara Hofmann)

ADHS steht für AufmerksamkeitsDefizit-HyperaktivitätsStörung. Die typischen Charakteristika sind Hyperaktivität, Impulsivität und Unaufmerksamkeit. Menschen mit ADHS fällt es meist schwer sich zu konzentrieren, sie lassen sich leicht ablenken und haben oft einen starken Rededrang. Fehlende Organisation, ein fehlendes Zeitgefühl und Unordnung können ebenfalls zu Auffälligkeiten zählen. Bei dem Symptom der Hyperaktivität kommen zudem große Unruhe und die Unfähigkeit sich zu entspannen hinzu.

Wie kann es zu einer ADHS kommen?

Die Ursachen für eine ADHS sind bis heute nicht abschließend erklärbar und wahrscheinlich auf mehrere Ursachen zurückzuführen. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) vermutet, dass nie eine einzelne Ursache für die Störung verantwortlich ist, sondern mehrere Einflussfaktoren zusammenwirken. Eine wichtige Rolle kann die genetische Veranlagung spielen. Weitere Ursachen können Komplikationen während der Schwangerschaft oder der Geburt sein. Möglicherweise besteht auch hier ein Zusammenhang mit den genetischen Faktoren: Menschen mit einer bestimmten genetischen Ausstattung haben ein höheres Risiko, beispielsweise bei Nikotinkonsum der Mutter während der Schwangerschaft später ADHS zu entwickeln, so das Deutsche Zentrum für Lungenforschung. Das soziale Umfeld eines Menschen ist zwar nicht ausschließlich als Ursache für ADHS zu verstehen, kann die Stärke der Störung und der Symptome jedoch verstärken. Dazu können sowohl gesellschaftliche Veränderungen, familiäre Probleme als auch berufliche oder schulische Faktoren gehören. Bei ADHS ist das Gleichgewicht der Neurotransmitter im Gehirn gestört. Laut dem IQWiG ist der Transport des Botenstoffs Dopamin und Noradrenalin an den Nervenzellen im Gehirn verändert. Betroffen sind die Bereiche, die unter anderem für die Gedächtnis- und Lernfunktion wichtig sind. Diese Stoffe sorgen somit dafür, dass Reize von außen im Gehirn besser gefiltert werden können. Somit sind sie eine weitere mögliche Ursache für die ADHS.

Neurotransmitter -> Botenstoff

Botenstoff = chemische Substanz, die Informationen zwischen Zellen weitergibt und verbreitet

Neurotransmitter = Arbeiter an Andockstellen der Nervenzellen, an denen diese Befehle an die nächste weitergeben

Wie viele Menschen sind betroffen?

Laut des Bundesministeriums für Gesundheit sind zwei bis sechs Prozent der Kinder und Jugendlichen von einer ADHS betroffen. Die Diagnose erhalten die meisten im Alter von fünf bis sechs Jahren. Die Störung trifft jedoch nicht jeden gleich stark. Vergleicht man die Häufigkeit bei Jungen und Mädchen, konnten verschiedene Untersuchungen insgesamt aufzeigen, dass ADHS bei Jungen häufiger als bei Mädchen auftritt.
Die Verhaltensstörung ist aber nicht nur ein Thema, welches Kinder betrifft. Laut dem IQWiG zeigen noch 50 Prozent der Betroffenen im Erwachsenenalter leichte Symptome einer ADHS.  Ungefähr 15 Prozent erfüllen noch vollständig die Kriterien für die Diagnose.

Wie verläuft eine ADHS?

Symptome einer ADHS fallen meist schon im Kindesalter auf und sind vor allem zu Beginn der Schulzeit gut erkennbar. Doch auch schon im Säuglings- und Kleinkindalter kann sich die Symptomatik durch ein hohes Aktivitätsniveau des Kindes äußern. Betroffene zeigen bereits in dem Alter erste Entwicklungsstörungen. Sie können erst später laufen oder sprechen als Gleichaltrige.
Im Kindergartenalter sind körperliche Unruhe und extreme Umtriebigkeit besonders stark ausgeprägt. Diese Auffälligkeiten sind im Kindergarten deutlicher zu beobachten als zu Hause. Laut der Fachärztin für Psychiatrie, Erika Barker-Benfield, sei Grund dafür die Menge an Reizen, die im Kindergarten auf Kinder einströmen, was die Unruhe des Kindes steigert. Diese Kinder fallen zu dem durch mangelnde soziale Integrierbarkeit, extreme Wutausbrüche und das Nichtbeachten von Grenzen und Anweisungen auf.
Sobald die Kinder in die Grundschule kommen, kommt es häufig auch zu einer erheblichen Zunahme der Probleme. Betroffene werden plötzlich mit Anforderungen an Ruhe, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeiten konfrontiert, die sie überfordern können. Diese Problematik verlagert sich mit Eintritt in die Schule, insbesondere auf Lern- und Leistungsbereiche. Im Unterricht können Hyperaktivität, Unaufmerksamkeit und Impulsivität stark auftreten. Um in der Schule den Anschluss zu behalten, überlegt sich Mattis seine eigene Strategie, um sich im Unterricht konzentrieren zu können.

Wenn die Betroffenen ins Jugendalter kommen, nimmt bei vielen die körperliche Unruhe ab, während jedoch die Aufmerksamkeitsstörung und Impulsivität häufig bleiben. Wenn sich im Kindesalter bereits ein aggressives Verhalten entwickelt hat, treten im Jugendalter gehäuft dissoziale Verhaltensauffälligkeiten auf. Betroffene, die die Schule als negativ erlebt haben, entwickeln extreme Abneigung gegen alles, was mit schulischer Leistung zu tun hat.
Die typischen ADHS-Symptome und die daraus resultierenden Verhaltensprobleme können sich bei einem Teil der Betroffenen bis ins Erwachsenenalter fortsetzen.
Typische Probleme bei Erwachsenen mit ADHS sind die Organisation ihres Alltags und ihrer Arbeit, als auch die Konzentration bei Aufgaben für längere Zeit oder das Einhalten von Terminen. Hyperaktivität steht im Erwachsenenalter kaum noch im Vordergrund, sondern wird eher durch eine innere Unruhe abgelöst. Erwachsene mit ADHS reden viel und unterbrechen oft ihre Gesprächspartner. Ihnen fällt es schwer, ihre Gefühle im Gleichgewicht zu halten. Zudem sind sie leicht reizbar und haben eine niedrige Frustrationstoleranz.

Wie beeinträchtigt die Verhaltensstörung den Alltag?

Eine ADHS kann sich auf viele Bereiche im Leben eines Betroffenen auswirken.
Kinder und Jugendliche mit ADHS haben häufiger Unfälle, verletzen sich öfter und haben mehr Probleme in der Schule. Sie verhalten sich regelwidrig, trotzig oder auch aggressivund geraten daher eher in Konflikte mit Gleichaltrigen. Auch Erika Barker-Benfield bestätigt: „Die meisten ADHS Kinder haben einerseits Probleme Freunde zu finden, aber noch viel größer ist das Problem sie zu behalten.“
Jugendlichen mit ADHS konsumieren häufiger Suchtmittel wie Nikotin, Alkohol oder Drogen. Sexuelle Neugier verbunden mit riskantem Verhalten führt eher zu Infektionen und frühen Schwangerschaften. Entwicklungsprobleme können eine ADHS begleiten. So kommt es beispielsweise zu Schwierigkeiten in der Lese- und Rechtschreibfähigkeit oder in der Sprachentwicklung.
Erwachsene mit der Verhaltensstörung können eine verminderte Leistungsfähigkeit haben. Sie haben Einschränkungen im Straßenverkehr, da Impulsivität und Konzentrationsstörungen schneller zu Verkehrsunfällen führen können. Auch im Erwachsenenalter ist die Wahrscheinlichkeit, an Suchtproblemen zu erkranken, erhöht.
Außerdem haben Sie Schwierigkeiten in sozialen Beziehungen, dennimpulsives Handeln kann menschliche Verhältnisse meist voreilig beenden. Odersie kündigen den Job, bevor sie überhaupt eine neue Stelle gefunden haben. Durch die Diagnose ADHS und die erheblichen Einschränkungen in Lebensbereichen können sie zudem ein geringes Selbstwertgefühl entwickeln.
Wird ADHS nicht behandelt, kommt es häufig zu Begleiterkrankungen, wie Depressionen oder Angststörungen. Laut der Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie, Astrid Neuy-Lobkowicz, leiden 80 Prozent an Begleiterkrankungen und sogar 60 Prozent an gleich mehreren.

Wie wird ADHS diagnostiziert?

Wenn der Verdacht auf eine ADHS besteht, rät Astrid Neuy-Lobkowicz dazu, dies am besten durch einen Experten diagnostizieren zu lassen. Dazu gehören sowohl PsychiaterInnen und PsychotherapeutInnen als auch FachärztInnen für Kinder- und Jugendmedizin.
Bei Kindern als auch Erwachsenen läuft die Diagnose ähnlich ab. Im Vordergrund der Untersuchung steht ein ausführliches Gespräch mit den Betroffenen, die Anamnese. Hier werden aktuelle Probleme, Belastungen und einzelne Symptome genau erfragt und die Lebensgeschichte sowie die Entwicklung der Probleme besprochen. Diese, sowie eine körperliche Untersuchung sind wichtig, um andere mögliche Ursachen für auffälliges Verhalten auszuschließen. Dazu können andere psychische Krankheiten, wie beispielsweise das Borderline-Syndrom zählen.
Nach dem Gespräch können standardisierte Fragebögen eingesetzt werden, um die Probleme genau zu erfassen.

Hilfreich sind auch Verhaltensbeobachtungen während der Diagnose. Diese fallen meist bei Erwachsenen weniger aufschlussreich aus als bei Kindern. Dennoch können mögliche Anzeichen Trommeln mit Fingern, Spielen mit Stiften oder Wippen mit dem Stuhl sein.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es für ADHS?

Nach dem IQWiG reicht bei Kindern mit leichter ADHS, bei denen die Symptome nicht besonders ausgeprägt sind und das Verhalten nicht sonderlich eingeschränkt wird, bereits eine Elternschulung zum Umgang mit ADHS. Bei einer mittelschweren bis starken ADHS, die mit sozialen oder schulischen Problemen einhergeht, können weitere Schritte wie eine Familien- oder Verhaltenstherapie sinnvoll sein.

Verhaltenstherapie:

psychotherapeutisches Verfahren

 

Grundgedanke:

Verhaltensweisen können erlernt und wieder verlernt werden; derzeitiges Verhalten soll untersucht und verändert werden.

Medikamente können ADHS-Symptome lindern. Es gibt verschiedene Aspekte, die für diese Entscheidung eine Rolle spielen: Alter des Betroffenen, Stärke der Störung und ob bereits Psychotherapie oder pädagogische Mittel ausprobiert wurden.
Ritalin ist eines der bekanntesten Medikamente, welches ADHS-Betroffenen verschrieben wird. Durch diese Medikamente kann das Gehirn Reize von außen besser filtern, was die Aufmerksamkeit und Konzentration verbessert. Jedoch können Nebenwirkungen, wie Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust und Schlafstörungen hervorgerufen werden. Für Erwachsene, die mehr Unterstützung brauchen, kann eine solche Behandlung mit Medikamenten oder Psychotherapie sinnvoll sein. Auch hier kann eine Verhaltenstherapie helfen, um im Alltag und mit der Diagnose ADHS besser zurechtzukommen. Robert Wechsberg, Facharzt für Psychologie und Experte für die Behandlung bei ADHS im Erwachsenenalter bestätigt: „ADHS lässt sich gut behandeln. Hauptsächlich mit Stimulanzien wie Ritalin oder Amphetaminsalzen. Insofern ist Ritalin eine richtige Behandlungsmethode. Alternativ gibt es Neurofeedback. Unterstützend kann aber auch Psychotherapie oder Coaching hilfreich sein.“

Neurofeedback

Elektroenzephalographie (EEG) misst Hirnaktivität
-> diese sind für PatientInnen auf einem Monitor sichtbar
PatientIn versucht dann, seine/ihre Hirnaktivität in gewünschter Weise zu beeinflussen
-> z.B. bei ADHS-Symptomen, Schlafstörungen, Ängsten

Eine stationäre Behandlung ist dann klug, wenn ein Betroffener den Alltag nur noch schwer oder gar nicht mehr bewältigen kann.
Viele Erwachsene mit ADHS suchen sich aber auch eigene Strategien, um mit der Verhaltensstörung umzugehen. Manche Betroffene probieren beispielsweise Entspannungstechniken aus oder suchen in Selbsthilfegruppen Unterstützung.
Mattis ist noch auf dem Weg, die richtige Behandlungsmethode für sich zu finden. Aber auch ihm wurde zunächst zu Ritalin geraten.